Junge Hunde im Wachstum, vor allem im Alter vom 4. bis zum 8. Lebensmonat, zeigen oft Veränderungen, Schwellungen, Umfangsvermehrungen im Carpus (Vorderwurzelgelenk). Vereinzelt weisen sie ein Hinken in den Vorderläufen auf, rechts oder links oder sie laufen klamm. In vielen Fällen beginnen die Anzeichen mit Weichteilschwellungen (Muskelverdickung), verdickter Pfote, des Öfteren sind diese Symptome aber nur leichtgradig und kurzfristig. In anderen Fällen können Sie allerdings auch länger bestehen bleiben und zudem klinische Symptome wie Schmerzäusserungen, Fieber und Bewegungseinschränkungen zeigen. Im Labor lassen sich die Veränderungen mit einer Erhöhung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die meistens bei ca 20`000 Zellen liegen, erkennen. Die Normwerte für weiße Blutkörperchen sind zwischen 6`000 (Untergrenze) und 12`000 (Obergrenze) Zellen. Die Temperatur ist ebenfalls erhöht, zwischen 39,8°C bis 40,5°C. Im ersten Moment kann dies als eine Infektion interpretiert werden, die radiologischen Veränderungen im Vorderfusswurzelgelenk helfen dann aber sehr schnell die Symptome richtig einzuordnen.
Zur Diagnosesicherung gehört als „Gold-Standard“ die Röntgendiagnostik. Die Laboruntersuchung „großer Blutstatus inklusive Differentialblutbild und CK (Muskelenzym)“ können die Diagnostik hilfreich unterstützen. In unserer Praxis kommt auf jeden Fall die kinetische und kinematische Diagnostik hinzu, womit der Verlauf der Erkrankung objektiv aufgezeigt werden kann. Wie aus der obigen Beschreibung ersichtlich ist, sind nebst den Umfangsvermehrungen im Vorderfusswurzelgelenk, ebenfalls Auffälligkeiten in der Bewegung, generell im Bewegungsmuster, ersichtlich. Die Bewegungsmessung kann neben der Diagnostik, zur Verlaufskontrolle der Ausheilungsphase hilfreiche Dienste und Informationen liefern. Somit sind zusätzliche Massnahmen, wie beispielsweise die Physiotherapie, Schwimmtherapie oder andere mögliche therapeutische Interventionen, in Erwägung zu ziehen.
Da die Ursache nicht bekannt ist, bleibt nur eine symptomatologische Therapie mit Entzündungshemmer und Schmerzmittel. Kortikosteroide sind nicht optimal, da diese auf die Wachstumsfugen Einfluss nehmen können. Da die Erkrankung als Wachstumsproblem einzustufen ist, heilt diese Problematik in den meisten Fällen wieder aus, sobald das Wachstum abgeschlossen ist. Allenfalls bleiben die geschlossenen Wachstumsfugen verdickt.
Aus Erfahrung kann ich festhalten, dass die hypertrophe Osteodystrophie ein multifaktorielles Geschehen darstellt. Multifaktoriell bedeutet, dass meistens mehrere Ursachen den Problemkreis erzeugen. Zu den möglichen Ursachen zählen übermäßige Bewegung, energiereiche Ernährung und vor allem eine veränderte Orthostatik und Orthodynamik (wie der Hund steht und sich bewegt). Vor allem den letzten Aspekt stelle ich in der Praxis immer wieder fest. Um diese Erkrankung erfolgreich zu therapieren, ist wichtig, auf eine gleichmässige Bewegung zu achten, dass der Hund eine ausgewogene Belastung in der Vor-und Hinterhand aufweisst und somit der Schub der Hinterhand aus beiden Hinterläufen symmetrisch entsteht. Durch meine Beobachtungen bin ich dazu geneigt, gerade diese Fehlbelastungen zu einem grossen Teil als Ursache zu diagnostizieren. Fehlbelastungen in den Knochen, gerade im Wachstum, können zu Entzündungs- und Schmerzreaktionen führen. Deshalb erachte ich diesen Punkt als grundlegend für Diagnostik und Therapie der hypertrophen Osteodystrophie.
Da die Erkrankung mit dem ganzen Symptomkomplex wie Fieber, Leukozytose, geschwächtem Allgemeinbefinden etc. aber nicht allzu oft vorkommt, sieht man sogenannte subklinische Formen, die dann auch nicht ganz eindeutig einzustufen sind. Jene betroffenen Hunde zeigen hingegen eine veränderte Statik und Dynamik in der Bewegung. Beispielsweise wird die eine Schultergliedmasse fehl- und die andere überbelastet, womit oft nur einseitige radiologische Veränderungen vorkommen, die sich hauptsächlich auf die Wachstumsfugen lokalisieren. Mit Hilfe der funktionellen, kinetischen und kinematischen Untersuchung können diese Fälle gut diagnostiziert werden, und vor allem die unklaren radiologischen Befunde besser eingestuft und interpretiert werden. Via orthopädisch manueller Therapie kann das Skelettsystem behandelt werden und die Prämisse der Orthostatik und Orthodynamik erfüllt werden. Als wichtige Unterstützung kann der Verlauf mittels Kinetik und Kinematik dargestellt werden um damit wiederum den Ausheilungsprozess und die therapeutischen Massnahmen gut einschätzen zu können. In oben genannten Fällen ist eine Anpassung der Ernährung und der Bewegung unumgänglich.
Die hypertrophe Osteodystrophie ist eine schmerzhafte Wachstumserkrankung im unteren Bereich der Elle-Speiche (Radius-Ulna) Region inklusive Vorderfusswurzelgelenk sowie der Zehen und Zehenendgelenke. Aus therapeutischer Sicht ist wichtig bei der Bewegung, der Ernährung sowie dem Schmerz- und Entzündungsmanagement anzusetzen. In der Regel heilen die Prozesse mit dem Abschluss des Wachstums gut ab, sofern das Management der Erkrankung rechtzeitig erkannt und optimal geführt wird.