Die Arthrose beim Hund ist zunehmend bei allen Rassen und vor allem immer bei jüngeren Patienten. Woran liegt das? Genetik? Ernährung? Überforderung des Hundes in der Bewegung und Belastung? Oder andere Faktoren? Fragen über Fragen zu denen eine abschließende Antwort nicht einfach ist. Die Arthrose ist eine multifaktorielle Erkrankung, also eine Krankheit mit mehreren Ursachen.
„Kausalgenetisch gesehen entstehen die verschiedenen Formen der Arthropathia deformans (Arthrose) auf der Grundlage von Stellungsanomalien, Fehl- und Überlastungen, Vitamin- und Mineralmangelernährung, altersbedingten Abnutzungen und genetisch verankerte Mesenchymschäden“.
(Diese Definition kommt aus dem Grundriss der speziellen pathalogischen Anatomie der Haustiere, Dahme und Weiss 1988)
Eine andere Definition der Arthrose besagt:
Die Arthrose ist eine Degeneration des Knorpelgewebes mit sekundärer Knochenläsion und entzündlich bedingter Schrumpfung der Gelenkskapsel. Im deutschen Sprachraum konzentriert man sich auf den degenerativen Anteil der Arthrose, also die mechanischen knöchernen Zubildungen, während im angloamerikanischen Sprachraum die klinische Symptomatik im Vordergrund steht, die Osteoarthritis (Niethard und Pfeil).
Bei beiden Definitionen kann man dies mit der Form-Funktions-Veränderungs-Regel (FFV), wie ich sie verwende, weiter definieren und beschreiben.
Bei der Definition nach Dahme-Weiss kann man die veränderte Form im Skelettsystem ins Zentrum stellen, die eine veränderte Funktion verursacht. Hier stehen vor allem die veränderte Bewegung, die Genetik und somit dysplastische Ursachen wie die Hüftgelenksdysplasie, sowie die Folgen von Fehl- und Überernährung im Vordergrund. Einfach gesagt: Eine schlechte Hüfte (zu wenig Überdachung) verursacht eine krankhafte Bewegung.
Bei der Definition nach Niethard und Pfeil stehen vor allem die Auswirkungen auf den Knorpel und den Knochen im Fokus. Nebst dem beschreibenden Aspekt wird dem funktionellen Prozess von Schmerz und Entzündung ebenfalls Respekt gezollt.
Grundsätzlich kann man festhalten, dass eine veränderte Form in einem Gelenk oder eine Achsabweichung eine veränderte Funktionalität im Gelenk auslöst. Dies führt zu einer veränderten Beanspruchung des Gelenks und im Weiteren deshalb mittel- oder langfristig zu Arthrose (Zubildung von Knochen) durch Entzündung und Schmerzen im und um das Gelenk herum.
Die Arthrose entsteht aus einem Missverhältnis zwischen Belastung und Belastungsfähigkeit eines Gelenkes oder eines Wirbelsäulenabschnitts. Auch die Immobilisierung begünstigt durch die Reduktion des Gelenksstoffwechsels die Entstehung einer Arthrose.
Die primäre Arthrose ist die Folge von minderwertigem Knorpel, also eines Mesenchymschadens, somit minderwertigen Baumaterials des Körpers. Warum dieses minderwertige Material vorhanden ist, ist im Einzelnen noch unbekannt.
Die sekundäre Arthrose ist die Folge von Fehl- und Überlastungen, Übergewicht sowie Ernährungssituationen, metabolischen Störungen, Entzündungen, Infektionen sowie Einwirkung von stumpfen Traumen oder einfach altersbedingt.
Die Symptome der Arthrose sind vielfältig. Man muss unterscheiden zwischen:
Wenn wir diesen Symptomenkomplex genauer unter die Lupe nehmen, stellt man fest, dass dieser zu einem Teil auf „Form-Veränderungen“ beruht. In der Folge kommt es auch zur veränderten Funktion und somit zu Funktions-Veränderungen. Somit ist die Arthrose eine absolute Form-Funktions-Veränderung (absolute FFV).
Die Arthrose entsteht aus einem Missverhältnis zwischen Belastung und Belastungsfähigkeit eines Gelenkes oder eines Wirbelsäulenabschnitts. Auch die Immobilisierung begünstigt durch die Reduktion des Gelenksstoffwechsels die Entstehung einer Arthrose.
Bei der Arthrose können wir drei Stadien unterscheiden. Wie diese aussehen, können Sie in der Folge lesen.
Zum Beginn der Erkrankung sind vor allem belastungsabhängige Symptome vorhanden. Wir sprechen hier von einem Belastungsschmerz. Beim Menschen sind dies vor allem Schmerzen oder verhärtete Muskeln. Beim Hund sind dies ebenfalls Lahmheiten/ Hinken nach längerer Belastung, vor allem wenn der Hund länger mit anderen Hunden getobt und gespielt hat oder sie auf Wanderungen oder längeren Touren waren. Diese Symptome können aber auch im Alltag auftreten, diese sind dann vor allem abends oder am Ende des Tages sichtbar. Dies zeigt sich aber nicht nur durch Hinken, sondern auch Entlastungs- und Schonhaltungen. Die betroffene Gliedmasse wird nicht mehr voll auf den Boden gestellt, die Standphase ist verkürzt und die Hangphase/ Schwebephase ist deutlich länger. Dies könnte man vergleichen mit dem Gangbild bei einem partiellen Kreuzbandriss des Hundes. Dies wird deshalb auch oft falsch interpretiert. Das Stadium betrifft nur das Gelenk sowie die Muskeln und Bänder des Gelenkes. Somit kann man in diesem Stadium bei der Untersuchung meistens eine verspannte Muskulatur, einen Muskelhartspann, feststellen. Dies ist die Folge des Schmerzes, einerseits ein Schutzmechanismus vor weiterem Verschleiss, was aber über längere Sicht nicht funktioniert. Anderseits aber eben die Folge von Schmerzen und Entzündung.
Klinik des Hundes: Belastungsschmerz sowie Muskelverspannung
Im Stadium II der Arthrose kommt es dann zu den typischen Einlaufschmerzen sowie zu Bewegungsschmerzen. Diese sind beim Menschen und beim Hund gleich. Beim Aufstehen, wenn das Gelenk sich wieder in Bewegung/Belastung befindet, entsteht der Schmerz und Muskelhartspann, welcher nach kurzer Einlaufzeit wieder verflogen ist. Auch zu diesem Zeitpunkt beobachtet man die Lahmheit/ Hinken/ Schmerzen des Hundes, ist sich aber nicht sicher, ob dies wirklich ein Problem darstellt. Vor allem deshalb, da nach ein paar Schritten der Hund bereits wieder normal läuft. In diesem Stadium sind nun nicht nur das Gelenk und die Muskulatur betroffen, sondern bereits die Bänder und Sehnen sowie dessen Ursprung und Ansatzstellen. Man nennt dies dann Periarthrose. Je länger die Bewegung nun aber dauert, beginnt die Lahmheit/ Hinken wieder und es kommt dann zum typischen Bewegungsschmerz. Dies bedeutet, der Hund hinkt nun in der Bewegung und je nach Schweregrad mittel- bis hochgradig. Dies betrifft vor allem Ellenbogen- und Hüftgelenksarthrosen.
Klinik des Hundes: Bewegungsschmerzen sowie Kontrakturen
Das dritte Stadium ist somit das schlimmste Stadium dieser Gelenkserkrankung, denn zu diesem Zeitpunkt haben wir bereits einen Ruheschmerz. Dieser Ruheschmerz wird einerseits durch Entzündung im und um das Gelenk ausgelöst sowie durch venöse Hypertonie im Bereich der Gelenks- und Röhrenknochen sowie durch eine Knochenumbau. Somit wird die Durchblutung des Knochens und der Gelenksfläche angeregt. Der Knorpel im Gelenk bricht ein und wird abgebaut, der Knochen unter der Knorpelschicht wird dann ebenfalls um- und abgebaut. Dies resultiert vor allem durch die Zirkulationsstörung, die durch die Druckveränderungen vollzogen werden. Das Ergebnis ist dann eine Gelenkssteifheit und Mobilitätverlust.
Klinik des Hundes: Ruhe- und Nachtschmerzen, Gelenkseinsteifung
Im Anschluss nun ein Fall aus der Praxis, der sich auf den Ellenbogen bei einem Rottweiler bezieht.
In unserem letzten Newsletter für das Jahr 2020 ging es um einen Rottweiler, 9 Monate alt, der im Alter von 6 Monaten vorne links mit dem Hinken begonnen hatte.
Zuerst wurde er von den Besitzern geschont. Als dies zu keiner Verbesserung führte, wurde der Hund beim Tierarzt vorgestellt. Aus den Befunden wurde die Lahmheit vorne rechts im Bereich der Pfote lokalisiert. Die Therapie bestand aus striktem Leinenzwang, kein Toben und dem Verabreichen von einem Entzündungshemmer. Nach 14 Tagen zeigte der Hund keine Verbesserung und wurde erneut beim PTA vorgestellt. Bei der zweiten Untersuchung wurde dann die Lahmheit auf die linke Seite lokalisiert mit Verdacht auf den Ellenbogen. Daraufhin wurde der Hund sediert und geröngt. Die Röntgenbilder zeigten keine Auffälligkeiten und wurden deshalb zur weiteren Beurteilung an einen Spezialisten gesandt. Hier wurde die Wachstumsfuge des Ellenbogens lokalisiert. Es wurde weiter strikter Leinenzwang sowie eine Regulation der Ernährung verordnet. Ein Kontrollröntgen sollte nach vier Wochen erneut die Situation beurteilbar machen.
Die Lahmheit war im Verlauf leider weiter vorhanden und zwar in der Initialphase der Bewegung, beim Aufstehen dann und mit leichter Verminderung nach dem Einlaufen. Aber der Hund war nie lahmfrei. Das Kontrollröntgen wurden durchgeführt und zeigten ebenfalls keinen Hinweis für die ausgeprägte Lahmheit.
Mittlerweile lahmte der Hund nun 3 Monate und wurde bei mir vorgestellt.
In der Bewegung zeigte der Hund eine gemischte Lahmheit vorne links, mittelgradige und im Stand eine Abduktion mit Aussenrotation der linken Gliedmasse. IN der orthopädischen Untersuchung fällt zuerst die starke Rückbildung der Muskulatur der linken Schultergliedmasse auf. Die beiden Muskeln Supra- und infraspinatus sind sehr stark zurückgebildet, oder besser gar nicht gut entwickelt. Dies ist kennzeichnend für eine Entlastung dieser Gliedmasse, vor allem dann wenn der Ellenbogen eine verminderte Gewichtstragachse darstellt. Die Untersuchung dieser Gliedmsse war unauffällig für die Pfoten und das Vorderfusswurzelgelenk, der Ellenbogen war in der Pro- und Supination sowie Flexion deutlich eingeschränkt und schmerzhaft. Bei der Beurteilung der Röntgenbilder im Zusammenhang mit Bewegung sowie der orthopädischen Untersuchung wurde sofort klar; dies ist nicht eine Wachstumsfuge, die schmerzt. Es ist ein fragmentierter Processus coronoideus.
Es erfolgte die Überweisung ins CT und im Anschluss wurde dieses Fragment operativ entfernt. Als Zusatzbefund konnte noch eine Sesambeinfraktur (siehe 3D-Ansicht) festgestellt werden, welches ein recht häufig auftretender Befund beim Rottweiler ist.
Sesambeinfraktur
6 Wochen nach der Operation kamen die Besitzer zur Infiltration des Ellenbogens mit Polyacrylamid Hydrogel 2,5%. Dies ist zur Behandlung der Arthrose im Ellenbogengelenk, die bereits begonnen hatte sich zu bilden. Damit lässt sich diese stoppen. Es war auffällig, dass der Hund immer noch lahm ging, trotz der Operation. Diesen Zustand sieht man sehr oft, da die Biomechanik der Schultergliedmasse einerseits und anderseits des Ellenbogengelenks nicht normal funktioniert. Dies wurde vor der Infiltration zusätzlich orthopädisch manuell behandelt. Im Anschluss wurde der Hund sediert, der Ellenbogen wurde steril vorbereitet für die Injektion. Hiernach wurde der Ellenbogen mit PAAH behandelt, der Patient ist von der Sedation aufgewacht und nach Hause. Zwei Tage nach der Infiltration konnte sich der Patient wieder normal bewegen. Sechs Wochen nach der Infiltration wurde der Hunde orthopädisch untersucht sowie kinematisch kontrolliert. Die Bewegungsdaten liegen vor. Der Hund zeigte nur noch wenig Lahmheit beim Aufstehen. Der Ellenbogen wurde abermals orthopädisch manuell behandelt und nochmals mit Mavacoxibum behandelt. Vier Wochen nach der Kontrolle hat sich die Besitzerin telefonisch gemeldet. Der Hund war wieder lahm frei und konnte sich normal bewegen und die Besitzerin war sehr glücklich. Die Daten der Bewegungsmessung hellblau vor der Infiltration und dunkelblau 6 Wochen danach. Am eindrücklichsten ist die „Relative Peak Vertical Force“ der linken Schultergliedmasse (HumL), hier kann man den Effekt der Infiltration „vorher-nachher“ sehr eindrücklich sehen.
Kinematische Bewegungsmessung vor (hellblau) und nach (dunkelblau) der Behandlung.