orthoVET Newsletter
Januar 2013
Liebe Kundinnen und Kunden
Degenerative Gelenksveränderungen sind beim mittelalten und alten Hund einer der häufigsten Gründe für einen Tierarztbesuch. Die landläufige Meinung “der Hund hat Arthrose, da kann man eh nichts machen“ ist absolut falsch. In der Verzweiflung entscheidet man sich deshalb oft, die teuren Gelenksschmiermittel oder ein Hundefutter mit „Arthrosezusätzen“ dem Hund zu verfüttern. Genau darin liegt die Irrmeinung. Im Glauben, für den armen Patienten etwas „Gutes zu Tun“, macht man eigentlich gar Nichts. Sie denken nun, dass diese Aussage etwas gewagt ist? In unserem ersten Newsletter werden wir uns nun mit dem Thema der Arthrose näher beschäftigen. Wir stellen Ihnen zwei Patienten vor, die wegen degenerativen Gelenksveränderungen in meiner Praxis erfolgreich behandelt wurden. Die Hundebesitzer dieser Patienten kennen die oben genannte Situation nur allzu gut. Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Durchlesen.
Als erstes möchte ich Ihnen die Definition von Arthrose etwas näher bringen: „Kausalgenetisch gesehen entstehen die verschiedenen Formen der Arthrose auf der Grundlage von Stellungsanomalien, Fehl- und Überbelastungen, Vitamin- und Mineralmangelernährung, altersbedingte Abnutzungen und genetisch verankerte Mesenchymschwächen.“
Diesen Ausschnitt kommt aus dem Buch „Grundriss der speziellen pathologischen Anatomie der Haustiere“ von Dahme und Weiss, 6. Auflage. In einem früheren Artikel der „Form-Funktions-Veränderungen“ habe ich diesen Abschnitt schon erwähnt, damals war es die 4. Auflage. Seither sind nun knapp 20 Jahre vergangen und bezüglich Wissensstands von Arthrose hat sich nichts verändert. Aus praktischer Erfahrung kann man sagen, dass gerade Stellungsanomalien sowie Fehl- und Überbelastung, eine der wichtigsten Ursachen für Arthrosen sind. Aus diesem Blickwinkel betrachtet kommt der Erkennung von diesen Stellungsanomalien eine wichtige Funktion zu.
Die Grundlage von jeglichen Gelenkserkrankungen, die Arthrose ist nur eine Form davon, sind Stellungsanomalien sowie Fehl- und Überbelastungen der Gelenke! Dadurch können alle Gelenke betroffen werden; vor allem aber Schulter-, Ellenbogen-, Hüfte-, Knie-, Rücken- und Wirbelgelenke! Die Ernährung übernimmt ebenfalls eine wichtige Rolle bezüglich Prophylaxe und Therapie von degenerativen Gelenkserkrankungen. Da dieses Thema aber sehr komplex ist, werden wir in einem anderen Newsletter darüber schreiben. Wie sieht nun die Klinik eines Hundes mit degenerativen Gelenksveränderungen (DJD –degenerative joint disease) aus?
Definition „Der Begriff Arthrose oder Osteoarthritis beschreibt eine nicht-entzündliche, nicht-infektiöse Abbau des Gelenksknorpels, die mit Knochenzubildungen an den Gelenkskapselrändern und Fibrosierung (vereinfacht Versteifung) des perartikulären Weichteilgewebes (um das Gelenk herum) einhergeht.“
Dies bedeutet, Arthrose ist eine Verkalkung im Gelenk oder um das Gelenk herum. Die Verkalkung verursacht eine Einschränkung der Beweglichkeit des Gelenkes sowie Schmerzen und Entzündungen. Obgleich oben „nicht-entzündlich“ beschrieben wurde, kann man aber permanent Entzündungs- und Schmerzfaktoren nachweisen. Es kommt somit zu den typischen klinischen Symptomen der degenerativen Gelenksveränderungen: Hinken nach längerer Liegephase (nach Einlaufen ist es aber praktisch wieder gut), oder dann klinisches Hinken bei längeren Belastungsphasen, allgemein verstärkte Steifheit und verdickte Gelenke und Gelenksränder.
Je nach Ursache unterscheidet man eine primäre oder eine sekundäre Osteoarthritis. Die primäre Osteoarthritis ist eine altersbedingte Störung, bei der es aus unbekannter Ursache zu einer Zerstörung des Gelenksknorpels kommt.
Bei der sekundären Osteoarthritis kommt es duch Fehl- und Überbelastungen, zu Gelenksinstabilitäten eines oder mehrerer Gelenke. Durch diese Fehlbelastungen der Gelenke, resultiert dann ein Abbau des Gelenksknorpels. Nebst den Form-Funktions-Veränderungen können auch Entwicklungsstörungen wie die HD(Hüftgelenksdysplasie), bakterielle Infektionen oder Immunbedingte Erkrankungen die Ursache für eine sekundäre Osteoarthritis sein. Durch die abnorme Knorpelbelastung kommt es zur Auffaserung der Knorpeloberfläche, später zu Knorpelrissen, die bis in die Knochenschicht unterhalb des Knorpels reichen. Es können somit feie Knorpelfragmente entstehen, die zu einer Entzündungsreaktion an der Gelenksmembran (Synovialis) führt, die wiederum zur Freisetzung von Entzündungs- und Schmerzmediatoren führt.
Die meisten Patienten werden dann wegen verminderter Aktivität beim Tierarzt vorgestellt. Der Hund liegt vermehrt oder liegt bei Möglichkeit sofort ab, ist schwer zu Aktivitäten zu motivieren, zeigt Hinken, vermehrter Muskelabbau, um nur ein paar Symptome zu nennen. Bei der orthopädischen Untersuchung fallen dann folgende Befunde ins Gewicht:
- Ansammlung von vermehrter Flüssigkeit im Gelenk
- Umfangsvermehrung des/ der Gelenke
- Vermehrte Wärme im / um das Gelenk
- Eingeschränkte Beweglichkeit
- Gelenksinstabilität
- Schmerzen
Auf Grund der oben aufgelisteten Befunde kann man dann den Verdacht einer Osteoarthritis stellen. Was nun in einem weiteren Schritt erfolgt, ist das Röntgen. Weitere Verfahren sind die orthopädische Sonographie oder auch die Computertomographie (CT).Um Infektionen oder Immunbedingten Erkrankungen auszuschliessen, ist zusätzlich eine Laboruntersuchung indiziert. Es sind auch andere Möglichkeiten von Erkrankungen in Betracht zu ziehen, als Beispiel Tumore. Nun steht also die Diagnose „Arthrose“! Wie weiter?
Bevor wir nun aber weiter gehen, möchte ich Ihnen nun zwei Fälle aus der Praxis vorstellen.
Fall Ninio
Ninio ist ein zehn Jahre alter Labrador und hinkte seit drei Jahren vorne links. Der Hund wurde beim Haustierarzt diesbezüglich mehrmals vorgestellt. Es wurde keine Ursache für das Hinken gefunden. Als Therapie erhielt die Besitzerin ein Spezialfutter und zusätzlich einen Futterzusatz für Hunde mit Gelenksproblemen. Ninio zeigte darauf keine Verbesserung. Die Aufstehbeschwerden wurden immer schlimmer und vor allem erholte sich der Hund nach dem Schonen nicht mehr. Auch das Hinken in der Belastungsphase wurde immer stärker. In der Folge wurde Ninio bei mir in der Praxis vorgestellt. Im nachfolgenden Video sehen sie Ninio’s Gangbild bei der Erstkonsultation und einen Monat danach:
Bei der anschliessenden orthopädischen und neurologischen Untersuchung fielen beide Schultergelenke auf. Die Beweglichkeit war stark eingeschränkt und vor allem waren beide Gelenke verdickt und schmerzhaft. Es wurde eine Schulterarthrose als Verdachtsdiagnose gestellt.
Linke und rechte Schulter von Ninio
zum Vergleich hier ein Röntgenbild mit einer gesunden Schulter
Nach dem Röntgen war es definitiv; Ninio hat eine hochgradige Arthrose in beiden Schultergelenken. Wenn man auch die drei Videos von August bis September miteinander vergleicht, sieht man die deutliche Verbesserung zu einem lahmfreien Laufbild. Wie ist zu erklären, dass trotz Arthrose der Hund nun normal läuft? Beide Schultergliedmassen sind über einen Weichteilapparat (Muskeln und Bänder) an den Rumpf befestigt. Haben wir eine Asymetrie in der Schulteraufhängung, so werden das Schulter-Ellenbogen-und Carpalgelenk (Handgelenk) ungleich belastet. In der Folge entstehen Entzündungen und Schmerzen in diesen Gelenken und im Stützapparat der Gliedmasse. Die Folge; der Hund hinkt. Behandelt man diese Asymetrie oder eben die Form-Funktions-Veränderungen, so wird die Belastung auf die ganze Gliedmasse reguliert und die Entzündungen und Schmerzen können abheilen und der Hund somit trotz Arthrose wieder normal laufen.
Fall Siro
Bei unserem zweiten Fall handelt es sich um eine Ellenbogenarthrose.
Zu Beginn sehen sie die Videostudie des Laufbildes vor der ersten Behandlung und bis 2 Monate danach. Wie sie leicht feststellen können, zeigte Siro vor der Behandlung eine deutliche Lahmheit vorne links, das Laufbild mutet sich aber auch sehr schwerfällig an, und die einzelnen Schritte sind sehr deutlich abgeschätzt. Kompensatorisch zeigt er hinten rechts einen hüpfenden Gang. Kniescheibe ist unauffällig. Nach der Behandlung ist die Lahmheit nicht mehr erkennbar und das Gangbild erscheint sehr freudig und vor allem deutlich flüssiger. Unten sehen sie die dazu gehörenden Röntgenbilder.
zum Vergleich hier ein Röntgenbild mit einem gesunden Ellbogen
Wie sie unschwer erkennen können, sind beide Ellenbogengelenke arthrotisch verändert mit Zubildungen an den Gelenksrändern. Dies fühlt sich für den Hund so an, wie wenn sie barfuss über Kieselsteine laufen würden. Auch in diesem zweiten Fall kann man klar aufzeigen, dass Arthrose zwar eine ernst zu nehmende Erkrankung ist, aber es gibt auch Möglichkeiten, dieses Problem gezielt zu behandeln. Oberste Priorität hat die Schmerzfreiheit und dadurch eine gute Lebensqualität. Anderseits gilt es eine optimale Bewegung, trotz den veränderten arthrotischen Gelenken, wieder herzustellen.
Zusammenfassend können wir nun folgendes festhalten:
- Die meisten Gelenksbeschwerden erfolgen auf Grund von Fehl- und Überlastungen des Skelettsystems. Dies erkennt man einerseits am Gangbild, also wie der Hund läuft, aber auch an der „Sitz-„ und „Platzposition“ des Hundes. Nach meiner Definition sind dies Form-Funktions-Veränderungen. Diese Veränderungen können bei Geburt, im Welpen- oder Junghundealter entstehen, oder einfach durch stumpftraumatische Unfälle.
- Werden diese Fehl- und Überlastungen frühzeitig erkennt und orthopädisch manuell korrigiert, werden einerseits chronische Entzündungs- und Schmerzprozesse verhindert, anderseits können degenerative Gelenksprozesse oder aber ein Kreuzbandriss durch die Fehlbelastungen des Knies vermindert werden.
- Die beste Therapie ist die Prophylaxe! Wie ist dies gemeint? Bei einem auffälligen Gangbild, oder unklaren Lahmheiten (die in der Bilddiagnostik keine Erklärung für das Hinken ergaben) sind Form-Funktions-Veränderungen die Ursache und gehören nach dieser Methode untersucht.
Andere Möglichkeiten sind:
- Welpenpass
- Jährliche orthopädische Routineuntersuchungen
- Geriatriekontrolle